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Metastudie zu Private Equity im Gesundheitswesen: keine Rückschlüsse für Deutschland möglich

Eine neue Metastudie in The BMJ (British Medical Journal) mit dem Titel "Evaluating trends in private equity ownership and impacts on health outcomes, costs, and quality: systematic review" der Autoren Alexander Borsa, Geronimo Bejarano, Moriah Ellen und Joseph Dov Bruch hat untersucht, ob und welche Auswirkungen die Übernahme von Gesundheitseinrichtungen durch Private Equity Gesellschaften haben. Die Untersuchung fokussiert sich stark auf die USA und kommt zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Das Deutsche Ärzteblatt berichtet am 25. Juli 2023 in dem Artikel „Private-Equity-Über­nahmen erhöhen Kosten für Patienten und Kostenträger“ über die Studie und beginnt mit der Einschätzung:

„Die Übernahme medizinischer Versorgungseinrichtungen (MVZ) durch Private-Equity-Gesellschaften (PEG) führt überwiegend zu höheren Kosten für Patienten und Kostenträger. Zu diesem Ergebnis kommt eine im British Medical Journal veröffentlichte Metastudie. Mit Blick auf die Qualität der medizinischen Versorgung sind die Ergebnisse demnach jedoch nicht belastbar genug.“ 

 


Stimmt die Aussage des Ärzteblatts, dass die Übernahme von MVZ durch Private-Equity Gesellschaften zu höheren Kosten führt?

Die klare Antwort: Nein!

 

Denn die genannte Meta-Studie „Evaluating trends in private equity ownership and impacts on health outcomes, costs, and quality: systematic review“ trifft keine Aussage zum deutschen Gesundheitssystem. Die Studienautoren untersuchen insgesamt 55 Studien aus den Jahren 2000-2023, die der Fragestellung nach Auswirkungen von Private Equity auf Gesundheitseinrichtungen nachgehen.

Von den 55 untersuchten Studien treffen lediglich 32 Studien eine Aussage mit Blick auf Versorgungsqualität und/oder Kostenveränderungen. Davon beziehen sich 28 Studien auf die USA, 2 Studien auf Schweden und je eine auf England und die Niederlande. Deutschland ist nicht Gegenstand der Untersuchungen, die eine qualifizierte Aussage über eine Änderung bei Qualität oder Kosten treffen. Darauf weisen auch die Studienautoren hin:

„Owing to risk of bias and frequent geographic focus on the US, conclusions might not be generalizable internationally.“


Somit lassen sich die Erkenntnisse der Metastudie nicht auf Deutschland oder auf die Finanzierung von ambulanten Strukturen, genauer MVZ, übertragen. 

Ist es nicht dennoch naheliegend, dass durch Private Equity auch höhere Kosten bei MVZ in Deutschland entstehen?

Auch hier lautet die klare Antwort: Nein!

 

Denn im Gegensatz zu den USA, werden die Vergütungen für medizinische Leistungen nicht von den jeweiligen Leistungserbringern, d.h. selbstständigen Ärztinnen und Ärzten, MVZ, Krankenhäusern, usw., festgelegt, sondern durch Vorgaben des Staates und der Selbstverwaltung. Somit sind die Vergütungen, die für medizinische Leistungen gezahlt werden und damit die Kosten für die Versicherungen darstellen, im Gegensatz zu den USA bei uns festgeschrieben, und für alle Leistungserbringer identisch.

Welche Aussage trifft die Metastudie für die ambulante Gesundheitsversorgung in Deutschland?

Die Studie hat keine Aussagekraft für die ambulante Versorgungin Deutschland.

 

Fast die Hälfte der einbezogenen Studien (14/32) untersucht Pflegeheime. Davon beziehen sich 10 Studien auf Pflegeheimen in den USA, zwei Studien auf Schweden und jeweils eine auf England und die Niederlande. 9 weitere Studien beziehen sich auf Krankenhäuser in den USA und die verbleibenden 9 Studien untersuchen ambulante Gesundheitseinrichtungen ausschließlich in den USA.

 

Darunter werden zwei Mal Gesundheitseinrichtungen in der Dermatologie, Urologie und ambulante OP-Einrichtungen und einmal Fertilitätskliniken untersucht. Zwei weitere Studie untersuchen mehrere Fachrichtungen (Dermatologie, Ophthalmologie und Gastroenterologie) hinsichtlich von Veränderungen bei den Kosten- und Qualitätsparameter.

 

Möchte man aus den Ergebnissen Rückschlüsse oder Tendenzen für das deutsche Gesundheitssystem ableiten, müssen die Studien mit Auswirkungen auf die Preise für Patientinnen und Patienten ausgeschlossen werden. In Deutschland setzen nicht die Leistungserbringer selbstständig Preise fest, sondern diese werden durch Vorgaben von Staat und Selbstverwaltung bestimmt.

 

Die Ergebnisse sind sehr heterogen und erlauben keine belastbare Aussage. So werden hinsichtlich der Qualität und der medizinischen Ergebnisse in Fertilitätskliniken und ambulanten OP-Zentren in 2 Studien keine Unterschiede zwischen Gesundheitseinrichtungen mit und ohne Private Equity-Beteiligung gefunden.

Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass dermatologischen, ophthalmologischen und gastroenterologischen Gesundheitseinrichtungen nach Übernahme durch Private Equity mehr Ärzte und medizinische Fachkräfte einstellen, als die Vergleichsgruppe und die Fluktuation höher ist. Dies könnte verschiedene Ursachen haben, so die Autoren der Originalstudie. Dies wird von den Autoren der Metastudie als eine „schädliche“ Auswirkung auf die Qualität gewertet. 

Zwei Studien zur Urologie kommen zu gemischten Ergebnissen. So stellt eine Studie fest, dass in urologischen Praxen nach Übernahme durch Private-Equity die Zahlungen aus Medicare inflationsbereinigt stiegen und die Zahl der Patienten stieg, bei Absinken der Arzt-Patienten-Zeit. Daher wertet die Metastudie den Einfluss als „negativ“ auf die Qualität. Allerdings kommt die Originalstudie zu dem Schluss, dass diese Unterschiede zwischen den Gesundheitseinrichtungen bereits vor der Übernahme durch Private Equity bestand und nicht erst durch die Übernahme einsetzte.

„We found that prior to PE consolidation, urologists employed by groups eventually acquired by PE firms had higher mean Medicare payments and patient volume relative to urologists whose practices were not acquired. Following acquisition, PE-employed urologists saw an increases in Medicare payments and patient volume, whereas non-PE employed urologists saw relative decreases. Diverging trends in the period prior to acquisition suggest that differences are not necessarily reflective of the effects of PE acquisition and may reflect underlying trends between these 2 groups set into motion prior to consolidation.“


Eine weitere Studie anhand urologischer Gesundheitseinrichtungen kommt zu dem Schluss, dass die Terminvergabe und Wartezeiten in Einrichtungen von Private Equity kürzer sei, allerdings die Wahrscheinlichkeit auf einen Termin bei kommerziell Versicherten höher war, als bei Medicaid-Versicherten.

 

Eine weitere Studie zur Terminvergabe kommt bei dermatologischern Gesundheitseinrichtungen zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit einen kurzfristigen Termin zu erhalten, bei Praxen in Besitz von Private Equity höher ist. Auch würden alle untersuchten Versichertengruppen (Medicaid und Blue Cross Shield) wahrscheinlicher einen Termin in diesen Einrichtungen erhalten, als in der Vergleichsgruppe. Die Metastudienautoren sehen hier eine positive Auswirkung vom PE-Engagement 

Kann man dennoch etwas aus der Studie für Deutschland mitnehmen?

Ja, dass es nicht nur für Deutschland, sondern im internationalen Kontext nur wenige belastbare Untersuchung hinsichtlich der Auswirkungen von Private-Equity Investitionen in Gesundheitseinrichtungen gibt. Dabei kommen verschiedene Untersuchungen, zu unterschiedlichen Ergebnissen, sodass die Vermutung naheliegt, dass nicht die Inhaberschaft von Gesundheitseinrichtungen entscheidend ist, sondern das Agieren und Handeln in der Versorgung.

 

 

Für Deutschland bedeutet das, dass es eine Rahmengesetzgebung bedarf, die zum einen für mehr Transparenz für alle Leistungserbringer sorgt, zum anderen bestehende Vorgaben – etwa hinsichtlich Qualitätsstandards oder Versorgungsvorgaben – ebenfalls für alle Leistungserbringer umgesetzt werden müssen. So kann die Träger- und Anbietervielfalt erhalten, notwendige Investitionen in die Gesundheitsversorgung getätigt und Fehlentwicklungen verhindert werden.